Tonträger Records (Teil 1 verpasst?!)
1998 gründeten die
Mitglieder Textas ihr eigenes Label, um der befreundeten Crew Waiszbrohd
zu ihrer ersten Veröffentlichung „Parkbankflows“ zu verhelfen. Damit
legten sie den Grundstein für die Entstehung einer Reihe der wichtigsten
Gruppen und Alben alpenländischen HipHops. – Um hier nur einige
wichtige Namen und Alben der ersten Hälfte der 00er Jahre zu nennen:
Brotlose Kunst - „Sklaven der Zeit“, Die Antwort - „Tiefstapler“, Kayo &
Phekt - „K.O. Drops“, Rückgrat - „Konfrontation“ oder Engelstaub - „Im Jahr
des Drachen“. Neben der Arbeit am Label schafften es Texta jedoch auch,
ihre eigene Gruppe langsam aber sicher als Flaggschiff österreichischer
HipHop-Musik zu etablieren. Songs wie „Walkmania“, „Sprachbarrieren“,
„Wer?“ oder „So oder so“ gehören heute zum Standardrepertoire heimischer
HipHop-Musik.
Texta gaben außerdem den Anstoß für den Siegeszug von
Rap im eigenen Dialekt. Der sogenannte Mundartrap wurde durch
gemeinsame Projekte der Mitglieder von Tonträger Records wie der
Supergroup Markante Handlungen (bestehend aus den Gruppen Rückgrat, Die Antwort und Kayo, Album „Vollendete Tatsachen“ 2005), Die Unsichtbaren
(Album „Schwarze Erde“ 2006) und TTR-Allstars (Album „Vü z’vü“ 2006)
endgültig als wichtiges Element österreichischer HipHop-Musik verankert.
Slangsta vs. Gangsta
In den 1990er Jahren verzichteten heimische
HipHop-Formationen (mit Ausnahme der Untergrund Poeten) in ihren Texten
noch großteils auf Schimpfwörter und „explizite Ausdrücke“. Mit Beginn
des neuen Jahrtausends bildeten sich aber auch in Österreich Gruppen,
die sich eines aggressiveren und härteren Tonfalls sowie Sprachgebrauchs
bedienen.
Diese können entweder in das Subgenre des sogenannten
Gangsta- bzw. Straßenrap gesteckt oder zum Slangstarap-Movement gezählt
werden.
Die Vertreter des Straßenrap-Genres besitzen zum Großteil
Migrationshintergrund und tragen ihre Texte meist in schriftdeutsch vor.
Das machen sie vermutlich, um auch vom deutschen Markt wahrgenommen zu
werden und damit Chancen auf eine größere kommerzielle Ausbeute zu
haben. Thematisch handeln ihre Lieder oftmals von der eigenen
Überlegenheit gegenüber anderen Rappern und es wird mit Klischees wie
dem Dealen mit Drogen, materiellem Reichtum oder dem „harten Leben auf
der Straße“ gespielt. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind etwa
Phat Frank und seine Gruppe EMC, Sua Kaan, Chakuza oder Nazar. Die zwei
letzteren feierten vor allem auch im deutschen Nachbarland große
Erfolge. Chakuza wurde gemeinsam mit seinem Kollegen DJ Stickle vom wohl
bekanntesten Deutschen Rapper Bushido unter Vertrag genommen. Er lebte
daher von 2006 bis 2010 in Berlin.
In dieser Zeit veröffentlichte er
gleich fünf Alben, von denen es drei („City Cobra“ 2007, „Unter der
Sonne“ 2008 und „Monster in mir“ 2010) bis in die Top Ten der deutschen
Albumcharts schafften. Nazar erreichte dies mit seinen letzten beiden
Alben („Narkose“ 2012 und „Fakker Lifestyle“ 2013) ebenfalls. Er gewann
darüber hinaus 2013 den österreichischen Amadeus Award in der Kategorie
„HipHop/R’n’B“.
Den Gangsta-Rappern stehen die Slangstarapper
gegenüber. Sie bedienen sich zwar einer ähnlich aggressiven Attitüde und
Ausdrucksweise, tragen ihre Texte aber ausschließlich in Mundart vor.
Außerdem richten sich ihre Texte oftmals gegen die Vertreter des
Gangsta-Rap Genres, denen sie ihre Glaubwürdigkeit, ihre „street
credibility“ absprechen.
Die Entstehung der Slangstarap-Bewegung ist vor
allem dem Salzburger Label Twomorrow und dessen Betreiber und Rapper
MOZ zu verdanken. MOZ ging bereits mit seinem ersten Album „Psywalker“
seinen sehr eigenen Weg, indem er Psytrance-Anleihen mit aggressiven
Mundartraps verband. Er schaffte es außerdem, quer durch die
österreichische HipHop-Szene Rapper, Produzenten und DJs für zwei Alben
zu gewinnen, die dem Slangstarap-Movement gewidmet waren. Auf „Slangsta
Wödweid“ (2008) und „Slangsta Paradise“(2009) vereinte er unter anderem
Jack Untawega, BumBum Kunst, Kayo, A.Geh Wirklich?, Digga Mindz, Dame
oder auch Laima von Texta unter dem Slangstarap-Banner.
Ana geht no (Voifett)
Die wichtigsten Mitstreiter in der Verbreitung der
Slangsta-Bewegung fand MOZ in dem Wiener Trio Die Vamummtn. Und das
obwohl sich Die Vamummtn nur gegründet hatten, um eine andere Salzburger
Rapcrew, die SBG Hot Boys, in ihre Schranken zu weisen. Aber wer sollte
ihnen das verübeln, wenn die selbsternannten Hot Boys solche Zeilen über
ihre Stadt Salzburg rappen:
„SBG ist in der Hand von Kriminalität und Gewalt.
Jeden Tag werden Leute ausgeraubt und überfallen.
SBG steht für Rap, an jeder Ecke wird gecheckt.
Kleine Kids spielen auf der Straße… mit Dreck.“
Die Vamummtn und die SBG Hot Boys lieferten sich ein Youtube-Duell,
das aber nach drei gegenseitigen „Disstracks“ (also Songs, in dem die
andere Gruppe schlecht gemacht wird) eindeutig zugunsten der Vamummtn
entschieden war.
Die erste offizielle Single der Vamummtn kann heute
ebenfalls zu einem Klassiker österreichischer HipHop-Musik gezählt
werden. Mit der „Krocha Hymne“ (2008) setzten sie der gleichnamigen,
äußerst kurzlebigen Jugendsubkultur ein humorvolles Denkmal. „Bam, oida,
fix oida!“
Das ehemalige Spaßprojekt hat sich mittlerweile zu einem
der erfolgreichsten heimischen HipHop-Acts gemausert, der es mit
Liedern wie „Das Festl gestan“ oder „Ana geht no (Voifett)“ sogar bis in
die hinterste Dorfdisco geschafft hat. Ob das ein Qualitätsmerkmal ist,
sei dahin gestellt.
Gibt es bei den Wiener Philharmonikern so viel mehr Frauen?!
HipHop in Österreich ist wie überall sonst auf der Welt ein von
Männern dominiertes Musikgenre. Vor allem Vertreter des Gangsta-Rap
müssen sich oft gegen – meiner Meinung nach zu Recht gestellte –
Vorwürfe der Homophobie aber auch der Misogyny wehren. Vielleicht ist
das oft sehr frauenfeindliche Bild dieser Rapper einer der Gründe, dass
es so wenige weibliche HipHop-Akteurinnen gibt. Eine der wichtigsten
Rapperinnen Österreichs ist Mieze Medusa. Sie verweist bei der Frage
nach dem geringen Frauenanteil im HipHop auf die Wiener Philharmoniker,
die erst seit 1997 überhaupt Frauen aufnehmen. Auch heute liegt der
Anteil weiblicher Mitglieder der Philharmonie bei nur 6 %. – Im
Vergleich dazu hat die New York Philharmonic einen Anteil von 36%.
Als
möglichen Grund für die geringe Zahl weiblicher HipHop-Musikerinnen
führt Mieze Medusa den starken Wettbewerbs-Gedanken innerhalb der
HipHop-Kultur an. Es geht als Rapper daher auch immer wieder darum, sich
selber größer und besser darzustellen als es vielleicht der Fall ist.
„Es ist natürlich so, dass genau dieses ‚nicht understatement
performen‘, das HipHop ein wenig fordert, einem ‚braven Mädchen‘ nicht
in die Erziehung gelegt wird – bei mir war es zumindest definitiv nicht
so.“ (Doris Mitterbacher alias Mieze Medusa im Interview 2013)
Nichtsdestotrotz behaupten sich auch einige Frauen in der
österreichischen HipHop-Szene. Die eben zitierte Mieze Medusa fand 2003
im Produzenten Tenderboy ihren perfekten Gegenpart und so
veröffentlichten die beiden gemeinsam mit „Basslast Alltag Meets The
Unfunk Side Of HipHop – EP“ (2004), „Antarktis“ (2006) und Tauwetter
(2009) bereits drei Longplayer und arbeiten gerade an ihrem vierten
Werk.
Wie Mieze Medusa stammt auch Yasmin Hafedh alias Yasmo aus der
Poetry Slam-Szene. 2011 veröffentlichte sie ihr äußerst sympathisches
und gelungenes Debütalbum „Keep it realistisch“. Unter ihrem zweiten
Alter Ego Miss Lead – als der sie nur auf Englisch rappt –
veröffentlichte sie überdies 2013 die EP „It’s Tea Time“, die sie über
Bandcamp gratis zur Verfügung stellt.
Hinter dem Akronym MTS
verstecken sich die vier selbsternannten MultiTasking Sisters Mag-D,
Miss Def, Nora MC und Oh'laek. Als erste weibliche HipHop-Crew
Österreichs (samt ihres männlichen DJs Amin M) sorgen sie seit 2008 für
Aufsehen. Mit ihren beiden Alben „Multitask“ (2009) und „Whan’n’Sinn“
(2012) machten sie sich auch über die HipHop-Szene einen Namen und
bewiesen, dass Rap keine reine Männerdomäne ist.
Die Emanzipation der Produzenten
Aber nicht nur RapperInnen machten in den letzten Jahren von sich
hören. Gerade seit der Jahrtausendwende ist eine Tendenz der
„Emanzipation der Produzenten“ von den Rappern zu erkennen. Immer öfter
werden Alben veröffentlicht, die nur aus HipHop-Beats (ohne Rapparts)
bestehen. Einer der derzeit erfolgreichsten heimischen Beatschmiede ist
der Kaisermühlner Branko Jordanovic alias Brenk Sinatra. In der
österreichischen HipHop-Szene ist er schon seit mehr als einem Jahrzehnt
eine Fixgröße, da er unter anderem viele Instrumentale für Kamp oder
dem Wiener Rapper MAdoppelT gezimmert hat. Spätestens seit seinen beiden
Instrumental-Alben „Gumbo“ (2008) und „Gumbo 2: Pretty Ugly“ (2011),
die er mit Hilfe des Supercity-Labels veröffentlichte, ist klar, dass
seine Beats auch ohne Rapper überzeugen.
2013 gelang Brenk dann auch
endgültig der Sprung über den großen Teich in das „Mutterland“ des
HipHop, den USA. Die Westcoast Undergroundlegend MC Eiht und der
vielleicht wichtigste Produzent der 90er Jahre DJ Premier wurden als
Erste auf das österreichische Beattalent aufmerksam. Derzeit geht es
Schlag auf Schlag und Brenk Sinatra kommt seinem Ziel immer näher, sich
auch in der amerikanischen HipHop-Szene einen Namen zu machen.
Aber
auch neben Brenk gibt es eine ganze Reihe von ausgezeichneten
HipHop-Produzenten in Österreich. Diese vereint derzeit vor allem das
Wiener Label Duzz Down San unter seiner Flagge. Nennenswerte Beispiele
wären etwa das Dusty Crates-Kollektiv, DJ Testa & Chrisfader,
Mono:Massive, Mosch, Ja:kova x Nomad, M-Tone oder Feux.
Aber auch unter den
Rappern befinden sich einige der wichtigsten Produzenten des Landes. Allen
voran steht Flip von Texta, der zu einem guten Teil den
österreichischen HipHop-Sound mit definiert hat. Aber auch die Künstler Digga Mindz, Def Ill oder BumBum Kunst
sind für ihre Beats mindestens genauso bekannt wie für ihre Raps.
1993 till infinity
Mittlerweile drängt bereits die dritte und vierte österreichische
HipHop-Generation in die heimische Szene. Man darf also gespannt sein,
was Künstler wie Average, Def Ill , Mirac, Monobrother, Leftboy, T-Ser,
Crack Ignaz oder der von deutschen Medien gehypte Gerard erreichen und
in Bewegung setzen werden. Klar ist, dass die österreichische
HipHop-Landschaft wächst und gedeiht.
Und wie die heimische
HipHop-Szene wächst auch das SRA stetig weiter. Und genauso wie es noch
sehr viel mehr Zeilen benötigen würde, um ein wirklich ausführliches
Bild der Geschichte der heimischen HipHop-Landschaft zu zeichnen, so
kann mit Worten nur annähernd zum Ausdruck gebracht werden, welchen
Stellenwert die im Archiv versammelten Platten, CDs und
Zeitschriftenartikel für die österreichische Popmusik haben.
Für mich
persönlich war und ist die Sammlung von unschätzbarem Wert, ohne welcher
ich etwa meine Diplomarbeit nicht in der Form hätte schreiben können,
wie ich es Dank des SRA im Stande war. Für jeden Musikliebhaber
heimischer Musik bietet das Archiv Kostbarkeiten, die ansonsten in
Wohnzimmern verstauben und/oder aus dem allgemeinen Gedächtnis
verschwinden würden.
Dies trifft auch auf das immer noch junge Genre
HipHop in Österreich zu, das gemeinsam mit der dienstältesten Gruppe Texta und dem Skug Research Archiv heuer seinen 20er feiern darf. Wer
jetzt Lust bekommen hat, sich einige der genannten Gruppen oder Alben zu
Gemüte zu führen, ist herzlich eingeladen im SRA auf einen Kaffee
vorbeizukommen und in dieser Schatzkammer österreichischer Popmusik zu
wühlen!
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, sich mehr mit HipHop aus Österreich zu beschäftigen, findet ausführliche Informationen beim einzigen österreichischen HipHop-Magazin "The Message" unter www.themessage.at oder jeden Donnerstag zwischen 22 und 0 Uhr bei Tribe Vibes and Dope Beats auf FM4! Dank für ihre Vorarbeit zu meinem Text gilt vor allem den Redakteuren des Magazins - im speziellen Stefan Anwander und Jan Braula, die derzeit an einer ausführlichen Videodoku zur Geschichte des österreichsichen HipHop arbeiten (mehr dazu hier: http://themessage.at/?p=16964) - und Stefan Trischler alias Trishes, der für unsre Freunde von Mica ebenfalls einen schönen Text zur österreichischen HipHop-Geschichte abgeliefert hat: HipHop in Österreich
Auf die nächsten 20 erfolgreichen Jahre und eine florierende heimische Popmusiklandschaft!