d-news Kolumne #1: Raubkopieren ist nur die halbe Wahrheit

Das Internet greift auf vielfältige Art und Weise in das weite Feld der Musikproduktion und -distribution ein: in den vergangenen Jahren zeichneten die Massenmedien, vorwiegend dank finanziell durchaus aufwendiger IFPI-Kampagnen, ein durchwegs verzerrtes Bild: von Raubkopierern und dem Ende kontemporären Kulturschaffens war häufig die Rede, während die riesigen Chancen der Vernetzung und Direkt-Distribution allen Beteiligten erst langsam bewusst werden.

Um eine typische Kategorienverwechslung zu vermeiden, hilft die klare Trennung zwischen Musikindustrie und Musik, denn trotz anderslautender Beteuerungen waren ökonomische Gründe nie die einzige Motivation für Musikschaffende. Zweifellos stimmt die Feststellung, dass die seit den 50er Jahren konsequent gewinnoptimierten Distributionsstrategien der Major Labels durch verschiedenste Online-Dienste unter Druck geraten sind - doch in dieser Kolumne wird nicht von strukturellen Vertriebsproblemen die Rede sein, sondern vom anderen Ende des Spektrums: von jenen Möglichkeiten, die das Netz Musikern bietet, um in Echtzeit zu kooperieren, um ihre Arbeit zugänglich zu machen und um sich zu vernetzen.

Denn das Read-Only Internet der 90er Jahre ist nach und nach zum vielzitierten Web 2.0 geworden. Aus passiven Usern werde aktive Mitgestalter, und was belächelte Home-Use Programme wie Magix Musicmaker vor einigen Jahren am heimischen PC leisteten, funktioniert inzwischen als browser-basierte Multi-User Anwendung. Von Napster zum digital vernetzten Studio: das Internet wird zum Spielplatz und zur virtuellen Begegnungsstätte von Musiker und ihren Fans: die wollen sowieso miteinander kommunizieren, und da das Internet die geeigneten Werkzeug dazu bereitstellt, liegt die “Migration” von immer mehr Bereichen auf der Hand: wie das Beispiel von last.fm nachdrücklich zeigt, ist das Internet nicht bloß günstiger Vertriebskanal: das hässliche Wort Musikmarketing bedeutet im Idealfall ja eigentlich nur, dass Musikhörer miteinander kommunzieren und eben jene Tunes, die sie interessant finden, weiterempfehlen. Diese Art der Verbreitung war früher auf direkte persönliche Kontakte beschränkt - wenn aus dem Schulhof plötzlich potentiell die ganz Welt wird, dann zittern “professionelle” A&Rs zu Recht um ihren Job - für die Kulturschaffenden, die definitiv nicht die Hauptbegünstigten des Musik-Business waren, sind das in der Tat erfreuliche Aussichten!

In der nächsten Ausgabe: was Social Communities für MusikerInnen tun können.

ritchie pettauer schreibt seit Ausgabe #2 für the gap (vorzugsweise Die Kolumne) und hat als ehemaliger mp3-Evangelist von Lion.cc, Teilzeit-DJ und Web 2.0 Berater vielfältige Interessen an Musik. Biographisches und mehr am datenschmutz Blog und bei Facebook.