Mit der Serie Subkultur in der Corona-Krise haben wir im Frühjahr 2020 den Zu-/Missstand österreichischer Kulturbetriebe während des ersten Lockdowns erkundet. Ein Jahr später ziehen wir (ein vorläufiges) Resümee, indem wir die damals befragten Kulturschaffenden und -institutionen erneut um eine aktuelle Stellungnahme bitten. Stefan Stürzer vom WERK war unter den ersten, die sich auf unsere Anfrage hin zu Wort meldeten, und gab ausführlich Auskunft über die ambitionierten Vorhaben der Venue am Wiener Donaukanal. Was seitdem passiert ist und wie es weitergehen soll, erzählt er einmal mehr im Interview.
Wie ist das WERK durch die
Lockdowns gekommen? War speziell der sehr lange Lockdown seit Herbst
härter oder konnte mensch sich irgendwie an den Ausnahmezustand
gewöhnen?
Der Lockdown war anstrengend und sehr, sehr fordernd für uns.
Wir konnten die Zeit aber nutzen, um viele kleine Details anzugehen, die
während eines Normalbetriebs unmöglich gewesen wären. Wir haben die
Akustik, das Monitoring und die Lichtanlage verbessert und sind mit dem
Resultat sehr zufrieden. Dennoch war es eine Zeit, in der das
Krisenmanagement, die Unsicherheit und das Warten auf die Öffnung
einfach zermürbend wirkten.
Inwieweit konnte der finanzielle Verlust durch Staatshilfen kompensiert werden und welche waren das? Bzw. gab es andere Möglichkeiten, wie z. B. Crowdfunding?
Die staatlichen Hilfen konnten die größten Löcher flicken, zum
Leben blieb nicht viel, aber das Wichtigste war, das WERK über die Krise
zu bringen. Das ging sich mit den Zuschüssen, Verlustersätzen,
Umsatzersätzen, Ausfallboni und Fixkostenzuschüssen irgendwie aus. Man
braucht halt einen sehr guten Steuerberater, damit man um diese Hilfen
auch ansuchen kann.
Wieviel Aufwand erfordert die Durchführung der
Corona-Schutzmaßnahmen in eurer Venue zusätzlich? Lässt sich mit weniger
Besucher*innen der Kulturbetrieb überhaupt verlustfrei führen? Und
besteht Optimismus bezüglich Planbarkeit des Sommer- bzw.
Herbstprogramms?
Der Aufwand mit Tischzuweisung, Ordner, Absperrungen und
WC-Dienst, der alle 30 Minuten die Toilettenanlage desinfiziert, kann
sich nicht rechnen. Zudem gibt es nur Tischservice, also auch hier
enorm. Unvorstellbar. Zu den normalen Bescheiden benötigt man auch einen
eigenen Covid-Konzept-Bescheid, sobald Veranstaltungen mit über 50
Personen stattfinden. Alleine diese Behörde zu finden, war nicht leicht,
das macht jetzt die MA 36, in der ein eigenes Covid-19-Referat
eingerichtet wurde, und nicht, wie viele annehmen, die MA 15.
Verlustfrei lässt sich der derzeitige Betrieb nicht führen. Contact
Tracing und 3G erfordern einen zusätzlichen Personalaufwand. Wir hoffen,
dass es im Juli tatsächlich zu Lockerungen kommen wird, die den Betrieb
auch wieder wirtschaftlich machen. Für Herbst/Winter sind wir nicht
optimistisch, zu viele neue Mutationen und die saisonale Tatsache, dass
im Sommer weniger Ansteckungen stattgefunden haben, stimmen uns wenig
zuversichtlich.
Der Nachrang von Kulturinstitutionen und -vereinen gegenüber
profitorientierten Unternehmen, die offen halten durften, ist nicht
nachvollziehbar. Wie kann man Entscheidungsträger*innen die Wichtigkeit
von Kultur näherbringen?
Hier bin ich ganz klar der Meinung, dass Kultureinrichtungen
mit den richtigen Präventionskonzepten genauso geöffnet haben können wie
Bauhäuser, Supermärkte und dergleichen. In fast allen Venues und
Locations sind hervorragende Lüftungen eingebaut, das findet man sonst
nirgends. Diese Benachteiligung ist und war schlichtweg ein Skandal, der
die Lebensqualität in der Pandemie zusätzlich massiv eingeschränkt hat.
Man sieht es gerade sehr gut bei den jungen Leuten, Stichwort
Karlsplatz. Am Freitag, dem 18. Juni haben wir eine dicke
Pressekonferenz im WERK, wo wir unser neues Präventionskonzept
vorstellen. Es ist gerade das Flagship in Österreich, zusammen mit der
Med-Uni Wien, DI Dr. Lichtenauer, Dr. Lemmerer und Prof. Dr. Hutter habe
ich die letzten vier Monate damit zugebracht, dieses Konzept auf die
Beine zu stellen. Das hat auch ordentlich Geld gekostet. Am Samstag wird
das Konzept veröffentlicht und soll eine nachhaltige Öffnung in der
Clubkultur ermöglichen.
Was muss deiner Meinung nach passieren, um sich in Zukunft
besser vor einer Pandemie schützen zu können bzw. eine Pandemie
überhaupt zu vermeiden?
Meiner Meinung nach müssten wir wahnsinnig viel umstellen,
alleine schon die Tatsache, wie wir mit den Viechern umgehen, ist ja für
Pandemien geradezu prädestiniert. In Zukunft wird es sicher weitere
Pandemien geben, diese war ja im Vergleich zu anderen noch sehr harmlos.
Ich denke, ein großer Faktor wird in Zukunft die Luftqualität in
öffentlichen Gebäuden, Schulen, Kindergärten, Verkehrsmitteln und
überall, wo Menschen zusammenkommen, spielen.
Siehst du auch Chancen in der Krise, wenn ja, welche?
Natürlich gibt es in einer Krise immer auch Gewinner. Es gibt
bereits und wird noch viele Insolvenzen und Zwangsverkäufe geben.
Kapitalstarke Unternehmen können diese günstig erwerben. Die Schere
zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander, das hat die Krise sehr
deutlich gezeigt, hier muss unbedingt schnell gegengesteuert werden.
Unterm Strich ist der Mensch aber zu blöd, das Thema Klimawandel war
jetzt, wo alles stillgestanden ist, aufgelegt und es wurden Milliarden
in Flugverkehr, Autoindustrie usw. gepumpt. Fazit: Wir müssen und werden
aussterben. 🙂 Als erste Spezies, die sich selbst vernichtet hat, seit
Bestehen der Erde.
Nun endlich zum Programm: Welche Höhepunkte hat das Reopening eurer Venue zu bieten?
Hier darf ich noch nicht zu viel verraten, aber wir haben
einige schöne Konzerte über den Juli, August und September geplant:
Klitclique, Maraskion, Erwin & Edwin, Gewürztraminer, 5/8erl in
Ehren, Lylit und noch ein paar ganz dicke Überraschungen.
Link: www.daswerk.org