Maja Osojnik

»Crne Vode«

In mir knabbert und knistert es

Text: Stephan Sperlich, Anna Steiden | 15.08.2011
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Die slowenische Ausnahmemusikerin Maja Osojnik und ihre Band legen mit ihrem prachtvollen neuen Werk »Črne Vode« (»Schwarze Wasser«) ein Album im wahrsten Sinne des Wortes vor: Man kann darin tatsächlich blättern, denn es ist eine CD und ein Bildband.

Seit ihrer Bearbeitung slowenischer Folklore auf dem ersten Album »Oblaki so rdeci« (siehe skug #69) hat sich nicht nur musikalisch viel getan: Die Band ist gewachsen, die Musik ist vielschichtiger und kantiger geworden, die nach wie vor berührenden Texte stammen auch aus eigener Feder, und dazu brillantes Design von Eva Dranaz und Jochen Fill (3007wien). Wir haben Maja Osojnik und 3007 dazu befragt.

skug: Wie kamst Du auf die Idee, so ein aufwändiges Projekt wie »Črne Vode« in Angriff zu nehmen und wie viel Durchhaltevermögen ist dafür notwendig?
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Maja Osojnik:
Erstens hab ich mir schon immer gewünscht dem Publikum mehr zu geben als nur Musik. Ich singe auf Slowenisch und ich wollte, dass die Leute mehr vor sich haben als nur ein winziges Booklet, sodass sie die Sprache bzw. die Texte wirklich genießen können.
Zweitens habe ich mir als Ausländerin in Wien oft gedacht: Wie kommt es dazu, dass man nur aufgrund seines Akzents so schnell in Schubladen gesteckt wird? Wie ich im Buch geschrieben habe: Bei polnischem Akzent denkt man an Putzfrau und Autodieb, bei französischem Akzent an Liebe und Erotik. Ursprünglich wollte ich ja in alle Sprachen übersetzen lassen die in Österreich ein „schlechtes Image“ haben. Dafür hätte man jedoch eine zehnbändige Enzyklopädie gebraucht.... (lacht) So gelangte ich schließlich zu der Entscheidung, meine Freunde mit Liedern zu beschenken, die ich in ihre Sprachen übersetzen lasse.
Drittens: Die Zusammenarbeit und Freundschaft mit Eva Dranaz und Jochen Fill von 3007wien. Ich war immer schon begeistert von ihrer Arbeit, und als ich ihre Plakate für das rhiz sah, sagte ich: „Das ist genau das was ich visuell suche für dieses Projekt ...“ Die beiden hatten sofort tausend Ideen und die Zusammenarbeit war sehr intensiv. Über ein Jahr ist das gewachsen, in unzähligen Gesprächen und Sessions. Unser erster Entwurf hatte wie viele Seiten...?

Eva Dranaz: 30. Und jetzt sind es 96 ... Der Ausgangspunkt war Vergänglichkeit, Leben und Tod. Da die Musik ja schon viel früher fertig war, geschah die Visualisierung zur Musik. Dennoch kam es vor, dass wir bei einer Photostrecke feststellten, dass das genau zu einem bestimmten Lied passte.

MO: Ich hatte bei einem Projekt dieses verlassene Dorf bei der slowenisch-italienischen Grenze entdeckt und habe ihnen davon erzählt. Dann saßen wir 5 Minuten in Stille da, die beiden tauschten nur verstohlene Blicke und bestimmten schließlich: Da fahren wir nächste Woche hin!

dorf.jpgED: Das Dorf hat viel von der Linie vorgegeben. Die Hinterlassenschaften dort erzählen viele Geschichten, ansatzweise bekommt man mit was da passiert sein muss, was ja sehr gut zur Musik passt, in der auch viel versteckt ist, wo man stöbern und entdecken muss.

MO: Und zum Durchhaltevermögen: Man muss schon ein bisschen verrückt sein, man muss eine Vision und ein Ziel vor sich haben und die Arbeit wirklich lieben. Natürlich gab es ups and downs – künstlerische ups und finanzielle downs. Allein schon die Übersetzer zu finden! Ich habe in Slowenien begonnen und die Suche bald auf ganz Europa ausbreiten müssen...

Jochen Fill: Besonders erstaunlich fand ich wie schwierig es war Label und/oder Vertrieb zu finden. Viele wollten ein quasi fertiges Produkt nicht nehmen, weil es außerhalb der Norm liegt, weil es aufgrund des Formats nicht im Tray bei Saturn stehen kann, weil es schwarz ist, weil man sich hätte überlegen müssen wie man es verkauft ...

ED: Dabei wollten wir ja genau das: Keine normale CD-Verpackung, eine andere Optik und Haptik, um die Emotion, die in der Musik steckt, auch in der Hand halten zu können.

MO: Sodass man sich dafür gern Zeit nimmt, sich auf die Couch legt um die Musik zu hören und im Buch zu blättern. Und plötzlich steht die Zeit für ein, zwei Stunden still.

Du hast »Črne Vode« ja einerseits aus eigenen Mitteln, aus Förderungen und anderseits durch das Konzept der Patenschaft bzw. MäzenatInnentum finanziert ...

MO: Die MäzenInnen haben wirklich geholfen und mein Minus Richtung Null bewegt – leider nicht ganz ins Plus ... Aber es war emotional sehr besonders für mich, dass – im Gegensatz zur Ängstlichkeit der Industrie – bei so vielen Privatpersonen Bereitschaft da war, das zu unterstützen. Jeder Mäzen hat mir ein Gefühl des Aufatmens geben, das mir in schwierigen Phasen geholfen hat. Deshalb ist »Črne Vode« längst nicht mehr nur meins, sondern es gehört so vielen Leuten: Eva, Jochen, meiner Band, den Gastmusikern und den Übersetzern, die teilweise umsonst gearbeitet haben.

Wie erklärt sich die Dialektik zwischen den Texten und der visuellen Ebene, die durchwegs mit Düsterkeit oder Vergänglichkeit zu tun haben, im Verhältnis zur Musik, die oft positiv, ja mitreißend daherkommt?

MO: Ich sage immer im Scherz: Ich lasse viele Leute sterben – und ein paar lasse ich leben. Ja, es geht viel um Tod und um Liebe, um unmögliche Situationen. Doch es ist vielschichtiger, es geht auch um Charaktere, die versuchen das Beste aus ihrem Leben zu machen. Es bewegt sich immer an dieser marginalen Grenze zwischen einer ganz süßen Fragilität und einer knappen Entscheidung. Da muss man sich entscheiden welche Thematik man musikalisch unterstützt, welche Stimmung man erzeugt, damit ein Lied in allen Facetten ankommt. Wenn man etwas Glückliches betont, wird es oberflächlich.
Man kann durch die Kontraste mehr mit der Interpretation spielen. Und ich glaube hier findet die musikalische mit der visuellen Arbeit zusammen.

JF: Aber ebenso dialektisch, denn da ist nichts wirklich Lebendiges drinnen außer Majas Foto und dem Bandfoto. Bei einer vertrockneten Pflanze achtet man viel mehr auf Strukturen und auf den Organismus und erkennt so viel eher das Leben als an einer lebendigen. Wie bei verlassenen Dörfern und Räumen, wo man nur noch Spuren des Lebens sieht.

MO:
Im Absturz kommt man dem Leben viel näher.

Die Musik auf »Črne Vode« bietet ja auch ein sehr kontrastreiches klangliches Spektrum, es gibt viele Gäste, es sind viele Genres vertreten.

maja3.jpgMO: Für mich soll ein Album für zu Hause ein anderes Erlebnis sein als das Live-Konzert. Eine gewisse Live-Atmosphäre ist mir für eine Platte zwar schon wichtig aber ich möchte die Freiheit bei der Studio-Arbeit schon nützen, z.B. Gäste einzuladen. Diesmal haben wir zu dritt komponiert: Michael Bruckner-Weinhuber, Bernd Satzinger und ich. Ich habe unter anderem die Texte ausgesucht oder geschrieben, und wir haben mehr oder weniger gleichzeitig komponiert und dann gemeinsam mit der Band arrangiert.
Für mich ist diese Durchlässigkeit wichtig, Einflüsse der Anderen zuzulassen. Ich beschränke mich nicht darauf ein Konzeptalbum zu machen das streng in eine Richtung geht, sondern ich finde es spannend zu sehen wie weit man gehen kann. Wie kann man eine Songform verlassen, Einflüsse aus Neuer Musik oder Elektronik einbringen? Wo lässt man eine ganz freie Impro zu? Wo bewegt man sich noch in einem Feld in dem man sich zuhause fühlt?

Gibt es schon Ideen für die nächste Produktion oder Platte? Kannst du in Zukunft überhaupt noch eine »normale« CD machen?

MO
: Nicht so bald! (lacht) Aber ich habe tatsächlich schon zwei Ideen für die nächsten Projekte, doch das soll eine Überraschung werden, auch für mich selbst. Ich habe das Gefühl dass meine Musik schon etwas härter und kantiger geworden ist, und es interessiert mich wie weit ich noch gehen kann, aber ich lasse das momentan noch offen. Für mich ist das Projekt schon längst abgeschlossen, obwohl das Buch gerade erst fertig geworden ist. Und für mich heißt das jetzt nicht einfach das Programm ein Jahr lang abzuspulen – natürlich wünsche ich mir viele Konzerte. Aber in mir knabbert und knistert es schon wieder.
Maja Osojnik Band: »Črne Vode (Black Waters/Schwarze Wasser)«
(Viennese Soulfood Records/Hoanzl)


Text: Stephan Sperlich, Anna Steiden | 15.08.2011