Martin Lubenov

Von einem, der alle Stückerln spielt
Martin Lubenov: Von einem, der alle Stückerln spielt

Anfang März wurde auf dem Sofia International Film Festival der Film „Jazzta Prasta“ vorgestellt – eine Dokumentation über den in Österreich lebenden Meister-Akkordeonisten Martin Lubenov. Mit dem Film im Gepäck ist er nun auf Tour, Höhepunkt: Eine dreitäge Personale im Wiener Porgy & Bess.

Blaue Flecken vom vielen Trommeln auf den Knien war die erste Konsequenz seiner Liebe zur Musik. Die Oma wollte aber, dass der kleine Martin doch lieber Akkordeon lerne, immerhin war sein Großvater schon Akkordeonist. „So begann ich also ihr zuliebe Akkordeon zu spielen. Dann verliebte ich mich in das Instrument und war so interessiert daran, dass ich es gar nicht mehr weglegte“, erzählt der große Lubenov eingangs in der filmischen Dokumentation „Jazzta Prasta or: Which are the Bulgarian Notes“. Das im Film Gezeigte und Gesagte strahlt eine große Kompetenz aus, kein Wunder, denn schließlich kommen Verwandte, Bekannte, Freunde und andere Experten in Sachen Martin Lubenov zu Wort, was dem ganzen Film einen sehr intimen und persönlichen Charakter verleiht. So hört man auch einen, ausnahmsweise nur mäßig zynischen, Richard Schuberth, den von Leidenschaft und Idealismus für die balkanische Musikszene angetriebenen künstlerischen Leiter des größten und alleine von der Vielfalt und Größe her auch wichtigsten Balkanmusikfestivals in Europa, Balkan Fever, über die Musik von Martin Lubenov sprechen, und es kommt freilich auch die Managerin des Bulgaren zu Wort, Sabina Schebrak. Beide waren und sind enorm wichtige Bezugspersonen in Sachen Erhöhung des Lubenovschen Bekanntheitsgrades in der Alpenländischen Großstadtprovinz. Werfen wir daher einmal kurz einen Blick zurück, als Lubenov unmittelbar aus der vibrierenden balkanischen Romaszene aus dem südslawischen Raum kam und dabei „auch das Tor zum postosmanischen Orient“ aufstieß, wie es Schuberth einmal formulierte. Seine ersten Stationen waren die Wiener Tschuschenkapelle, die Marios & Julie Kompania, Mandys Mischpoche und das Sandy Lopicic Orkestar. Im Jahr 2003 verwirklichte Lubenov schließlich seine eigenen musikalischen Ideen anhand zweier Formationen, des Quartetts Orfej und das Martin Lubenov Orkestar. Schuberth: „Die Musiker des ‚Orkestars’, allen voran ihr Leader, Arrangeur und Komponist [Lubenov; Anm.], haben die Traditionen der Roma, der Bulgaren, Türken und anderer Balkanvölker ebenso im kleinen Finger wie die Entwicklungen des Balkanjazz, des Mainstreampop sowie Tanzmusikformen von Buenos Aires bis Bollywood. Diese ‚New Kids on the Block’ verkörpern mit ihrer jugendlichen Ungestümheit und ihrer Virtuosität also eine neue Generation des Balkan-Crossover. Und sie verkörpern eine neue Art der Repräsentanz von Romakultur: selbstbewusst, intelligent, kosmopolitisch und trotzdem close to the roots!“ Und Schuberth definierte Lubenov sehr früh schriftlich, was er nun für den in die Kamera sprach: „Martin Lubenov, genialer junger Grenzgänger zwischen Jazz, Roma- und Balkan-Folk mit denkbar breitem Spektrum […] zeichnet sich durch fingerbrechende Virtuosität aus, der jedoch jegliche slawische Schwere, jeglicher Akademismus fehlt, sondern eine augenzwinkernde Leichtigkeit innewohnt, zu der Roma-Musiker besonders prädestiniert sind.“
Dieses Grenzgängerische ist quasi ein Markenzeichen in der Musik von Lubenov – hier die Millionenstadt Wien, der Schmelztiegel, in der Lubenov die letzten Jahre lebte, und dort das provinziell anmutende Kotel in Bulgarien, das zu den ärmsten Roma Kommunen überhaupt zählt. Diese Grenze an scheinbarer Unüberwindbarkeit bricht Lubenov in seiner Musik auf. Was man in seiner Musik nicht vorfindet sind Klischees, weder im traditionellen Volksmusiksinne, noch im traditionellen Jazzsinne, seine Musik ist vielmehr Integrationsarbeit, die auf einem großen Zitatenwortschatz basiert, nie den funkelnden Humor außer Acht lässt und mit lässigen Improvisationen gleichermaßen Herz und Hirn bewegt. Die Musik von Lubenov wirkt zudem immer, egal, ob im großen Orkestar bzw. im Bandgefüge von Jazzta Prasta, ob auf CD oder live. Seine Jazzimprovisation und der Sound fetter Bläsersätze ist einfach unique und universell, er ist ein Bindeglied etlicher divergierender musikalischer Welten, „ein völlig neuartiges Hybrid“, wie es nur allzu passend einmal formuliert wurde. Sein Orkestar und sein Jazzta Prasta spielt also alle Stückerln, vom Gypsy-Swing bis zum intellektuellen Jazz, nur eines ist seine Musik nicht: akademisch versaut. Vielmehr: Leidenschaftlich. Scharf. Optimistisch. Klug. Weltoffen.
Manfred Horak

Film:
Jazzta Prasta or: Which are the Bulgarian Notes
Derzeit noch nicht offiziell auf DVD erhältlich, Anfragen über Sabina Schebrak (www.cultureworks.at)

Live:
26. Mai 2009, (A) Baumgartenberg/Perg, Kultur-Glashaus: Martin Lubenov & Erhan Mamudoski
27. Mai 2009, (A) Dornbirn, Spielboden: Martin Lubenov Orkestar (MLO)
28. Mai 2009, (A) Salzburg, ArgeKultur: MLO
29. Mai 2009, (A) Wien, Porgy & Bess: MLO
30. Mai 2009, (A) Wien, Porgy & Bess: Jazzta Prasta
31. Mai 2009, (A) Wien, Porgy & Bess: Film “Jazzta Prasta”, anschließend Martin Lubenov & Vladimir Karparov