skug: Du veröffentlichst 2013 dein neues Album. Wie weit bist du in deinem Arbeitsprozess?
Fennesz: Ich bin gerade dabei, zu assemblen, neue Sachen zu suchen und auszuprobieren. Bei Livekonzerten ist es bei mir immer so, dass der Status quo der Produktionen ausprobiert wird. Ich bin noch nicht wirklich weit, eher noch am Ideen sammeln. Aber es kann sehr schnell gehen, es ist ein wochenund monatelanges Herumirren, und plötzlich geht es auf, alles, was man probiert und experimentiert hat, ergibt sozusagen Sinn und die Dinge fügen sich zusammen. Es gibt in der Zwischenzeit noch ein paar andere Dinge, die fertiggemacht werden müssen, Filmmusiken und Remixes. Dann heißt es aber wirklich: volle Konzentration auf das Album.
»Black Sea«, dein letztes Album, ist ja mittlerweile auch schon vor vier Jahren erschienen.
Es dauert bei mir immer, aber ich mache ja auch sehr viel dazwischen. Das scheint immer durch den Rost zu fallen, aber es sind doch auch Dinge, an denen mir viel liegt. Es gibt eben auch viele Kollaborationen. Ein Album zu machen ist immer ein Projekt, aber die Soloalben sind noch größere Projekte. Eben weil die Erwartungshaltung sehr hoch ist und weil eine gewisse Kontinuität eingefordert wird. Es war auch letztes Jahr schon Zeit, und auch das Jahr davor [lacht]. Aber nächstes Jahr wird es dann sein müssen.
Das EP-Format war für dich eine ziemliche Erleichterung, richtig?
Absolut, am liebsten würde ich überhaupt nur Singles machen. Da könnte ich jeden Monat eine rausbringen, ohne Probleme. Aber dieses Albumformat, das sind Altlasten aus den sechziger, siebziger Jahren, die mich damals als Heranwachsenden ja auch maßgeblich beeinflusst haben. Ich weiß um das Gewicht dieser Dinge. Um das Gewicht eines Pink-Floyd- oder Sonic-Youth-Albums. Das waren immer Ereignisse damals. Wenn man sich einmal auf so ein Tempo eingependelt hat, wie ich das habe, also nur alle drei Jahre ein Album herauszubringen, dann muss das wirklich gut sein, zumindest aus meiner Sicht. Es muss so viel Bestand haben, dass die Veröffentlichung einen Sinn ergibt.
Du meintest, dass die EP zweierlei Erneuerungen in deinem Schaffen brachte: einerseits eine gewisse Lockerheit, andererseits die Einbindung von Schlagzeug. Ist das die Marschrichtung für das nächste Album?
Ja und nein. Es wird auf jeden Fall einige Tracks geben, bei denen Schlagzeuger mitspielen, ganz sicher. Es werden einige Leute mitmachen, es wird nicht so ein isoliertes Soloalbum werden, wie es die letzten waren, beispielsweise »Black Sea«. Diesmal wird es ein bisschen aufgelockert. Ich habe nun große Lust, mit verschiedenen Leuten an einem Soloalbum zu arbeiten. Früher war das nie der Fall, und auch nicht praktikabel. Das könnte sich immer noch ändern, vielleicht pfeif’ ich am Ende drauf und denk’, dass ich das doch alleine mache. Aber ich habe soviel tolle Kollegen, die ich immer wieder treffe, und dann denke ich, vielleicht können die doch etwas beisteuern und mir die Verarbeitung überlassen. Was Schlagzeug betrifft, das ist wirklich Neuland für mich. Ich kenne das nur aus Bandzeiten. Ich denke, ich lasse mich drauf ein.
Das Album erscheint bei deinem alten Label Editions Mego, wie kam es dazu?
Dass ich jetzt wieder auf Editions Mego veröffentliche, liegt daran, dass ich eine gewisse Auszeit brauche, um etwas ganz anderes machen zu können. Die Alben auf Touch hatten schon eine gewisse Kontinuität, das ist ein bestimmter Sound, den ich zu perfektionieren versuche. Da gibt es eine charakteristische Färbung. Hingegen sind die Alben, die ich mit Peter Rehberg machte, »Hotel Parallel« und »Endless Summer«, deutlich offener. Und Rehberg, das wissen die meisten Leute gar nicht, ist ein sehr toller supervising producer: Er kommt zwischendurch ins Studio und meint »mach dies oder jenes anders« – darauf verlasse ich mich dann vollkommen. Ich würde einfach gerne wieder in diese Richtung arbeiten, weniger isoliert. Auch deshalb, weil ich erst zwei Alben auf Mego gemacht habe, und wenn jetzt das dritte dazu kommt, würde aus dem unfinished business eine Trilogie werden. Die diesjährige Veröffentlichung der »Fa«-12-Inch war ein erster Vorgeschmack. Ich habe den Track neu gemischt und aufgearbeitet, habe es viel länger gemacht und von Mark Fell für die B-Seite remixen lassen.
Wie war es für dich, an einer 1997 aufgenommenen Nummer zu arbeiten?
Das Faszinierende war, dass ich den Track einmal live gespielt habe und dabei dachte, dass sich aus dem noch etwas machen ließe: Ich habe ewig keine Beats verwendet, bei dieser Nummer gibt es diese ganz tiefe Bassdrum, die eigentlich von der Gitarre kommt und mit Filtern bearbeitet ist. Zufällig war auch Peter Rehberg bei dem Konzert und schlug mir dasselbe vor! Es war toll, ich war begeistert, daran zu arbeiten, auch weil das so reduziert war. Die alten Sounds, die aus den Gitarren und dem Billigsampler, den ich damals hatte, kamen – wenn man nicht so viele Möglichkeiten hat, kann man viel konzentrierter arbeiten, und bei diesem Track war das genauso.
Wie ist die Gewichtung zwischen der beinahe wissenschaftlichen Soundlabor-Arbeit und dem eigentlichen Komponieren?
Das ist natürlich schwierig, man muss ab einem gewissen Punkt einfach die Hände vom Ausprobieren lassen und sich sagen, man hat jetzt eben diese Sachen zur Verfügung, mit denen wird gearbeitet und Schluss. Das fällt mir immer noch schwer. Das Überangebot ist überwältigend, und es gibt natürlich ab und an schon neue Sachen, die sehr gut sind und die ich machen will.
»Endless Summer« hast du ja auch mit sehr reduzierten Mitteln aufgenommen.
Ich hatte damals einen alten Billig-Mac, eine Billig-Soundkarte, ein SM57, eine uralte akustische Gitarre, die ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr habe und immer noch spiele, Cubase, einen DAT-Recorder, einen kleinen Mackie-Mischer und ein paar Effekt-Kästen. Das war’s.
Sind deswegen auch Kooperationen für dich so essentiell: weil du quasi innerhalb einer, beispielsweise von Ryuichi Sakomoto vorgegebenen, Eingrenzung arbeiten kannst?
Ja, genau. Darum geht es mir auch, ich bin ja auch Musiker und nicht nur Produzent und Komponist. Und auch da will ich immer wieder ausloten, wo ich stehe. Da kann ich nicht großkotzig mit dem ganzen Studio auffahren, da muss ich mich beschränken auf das, was gerade am Tisch steht. Als wir beide uns das letzte Mal getroffen haben, war ich kurz danach mit dem Magic Yellow Orchestra auf Tournee, wir haben auch im Hollywood Bowl gespielt, vor 13.000 Leuten. Ich habe tatsächlich nichts anderes gemacht, als die Pop-Gitarre zu spielen. Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, das wieder einmal zu machen.
John Frusciante nannte dich ja unlängst in einem Interview als Einfluss.
Das hat mich sehr gefreut [lacht]. Ich fand ihn als Rock-Gitarristen
immer sehr cool. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber es gab
einmal eine Korrespondenz. Das hat mich auch deswegen so gefreut, weil
das Interview in einem nerdigen Magazin erschien, das fand ich toll.
New York ist für dich musikalisch ja ein sehr essentieller Ort.
Ich bin in den frühen Jahren, als ich anfing, solo zu spielen,
immer wieder nach New York gefahren. Anscheinend hat sich da etwas
etabliert, was bis heute nachwirkt. Ich gebe zum Beispiel am 6. März 18
2014 ein Konzert in der Carnegie Hall. Da spielen erst die Wiener
Philharmoniker und danach ich.
Mit Patrick Pulsinger hast du unlängst im Rahmen von Wien
Modern das Stück »In Four Parts« uraufgeführt. Kannst du etwas zum
Hintergrund des Projekts sagen?
Die Inspiration dafür war das »String Quartett in Four Parts«,
also Cages Arbeiten aus den späten vierziger Jahren. Die finde ich sehr
interessant, weil sie eine andere Seite von John Cage zeigen, vielleicht
eben den avantgardistischen Romantiker. Pulsinger hat mich vor längerer
Zeit wegen eines Projekts kontaktiert, das Wien Modern ihm
vorgeschlagen hatte. Eine Zeit lang sah es so aus, als wäre auch John
Paul Jones von Led Zeppelin dabei, aber leider konnte er am Ende doch
nicht. Also haben wir eben beschlossen, es zu zweit zu machen. Pulsinger
arbeitet nur mit Modularsynthesizern und versucht, die
Kontrabass/Cello-Parts, eben die tiefen Teile, zu übernehmen – und ich
mache die hohen Parts, Violas und Violinen. Das ganze ist Cage
nachempfunden, die Struktur haben wir relativ so belassen. Es klingt
natürlich komplett anders, aber ist doch ›in seinem Geiste‹. Ein
abendfüllendes Stück im Konzerthaus daraus zu machen war keine leichte
Aufgabe. Es wäre einfacher, ein Solokonzert zu machen, oder mit
Pulsinger zu jammen. Aber das war die Vorgabe.
Wie viel Raum nimmt Improvisation bei dir ein?
Das ist mittlerweile sehr schwer zu sagen. Es ist relativ viel
offen, aber natürlich habe ich auch, gerade bei Stücken, die ich auf CD
veröffentlicht habe, immer fixe Parts und Gitarrenlinien parat. Die Art
und Weise, wie ich sie anordne, was ich drüber spiele, das ist offen.
Und es gibt natürlich jene Kollaborationen, wo ich nur improvisiere.
Deine Zusammenarbeit mit Mike Patton basierte auch auf reiner Improvisation?
Das war reiner Freestyle, es gab auch keine einzige Probe. Mike
Patton hasst auch Soundchecks, er geht lieber gut essen. Ein kurzer
Linecheck, und dann geht es los. Patton wird wahrscheinlich auch auf
einem Stück auf dem neuen Album mitmachen.
Was passiert bei dir derzeit in puncto Soundtrack- Arbeiten?
Ich mache derzeit die Filmmusik zum neuen Film von Gustav Deutsch,
ein Riesenprojekt. Das wird sein erster Feature-Film, für den er mit
Schauspielern gearbeitet hat, ein sehr spezieller Film. Die Audioebene
spielt dabei eine ganz große Rolle. Ich arbeite auch sehr eng mit
Christoph Amann zusammen, der macht hier das Sounddesign und ihm gehört
das Studio. Zwischen Sounddesign und Musikkomposition gibt es nur
fließende Übergänge. Soundtrack-Arbeiten können unfassbar viel Spaß
machen, weil man dabei im Studio unglaublich viel lernen kann.
Nervt es dich eigentlich, dass du nach wie vor ständig auf »Endless Summer« angesprochen wirst?
Es war ein Album, das enorm viele erreicht hat. Daher bin ich auch
froh, es gemacht zu haben – aber es war nur eine Station. Es ist halt
schwierig, nur daran gemessen zu werden. Es war eben eine ganz neue
Sache in der Szene, damals hat niemand so etwas gemacht. Alles war
Clicks’n’Cuts und abstrakt, und ich dachte mir: »Es müssen Melodien her,
große Gefühle, ein wenig Morricone.« Das haben dann sehr viele
nachgemacht, ganze Karrieren wurden darauf aufgebaut. Und seitdem wird
immer, wenn ich ein Album mache, eine Art kleine musikalische Revolution
erwartet, und das ist ein wenig unfair. Es sind durchaus gewisse Lasten
dabei.
Ein Hitalbum ist also ein zweischneidiges Schwert.
Ja, aber ich habe mich darauf nie eingelassen. Ich habe einfach
weitergemacht und bin auch in andere Richtungen gegangen. Ich habe immer
versucht, alle Möglichkeiten auszuprobieren und diese zu nutzen, mit
möglichst interessanten Musikern zusammenzuarbeiten. Das wird überall
anders rezipiert, die Amerikaner wollen beispielsweise nur noch »Endless
Summer« hören. [lacht]
Fennesz »Seven Stars« (Touch)
Fennesz + Sakamoto »Flumina« (Touch)
Fennesz »Aun (Soundtrack)« (Touch)